Aufgrund der Corona-Situation, der Anweisungen des Hamburger Universitätspräsidenten und unserer Verantwortung in der Eindämmung der Pandemie, haben wir die Exkursion in das Weinanbaugebiet Mainz leider absagen müssen.
Wir haben ein kleines Exkursionsprogramm im Stadtgebiet Hamburg zusammengestellt, welches wir trotz Abstandsgebot und Hygienemaßnahmen durchführen konnten.
So besuchten wir am ersten Tag der Exkursion den Speicher am Kaufhauskanal in Hamburg-Harburg. Dort durften wir als Projektgruppe Sekt, verschiedene Weißweine und einen Rotwein verkosten. Wir lernten, wie stark die sozialen Effekte von Wein durch das Storytelling über Wein und seine Einbettung in globale Ökonomien beeinflusst wird.
Quelle: UHH/Bolz
Am zweiten Tag besuchten wir eine studentische Bar in Universitätsnähe und besprachen erste Essayideen.
Am dritten Tag besuchten wir das east-Hotel in Hamburg St. Pauli. Dort erhielten wir Einblick in die Arbeitsalltage der leitenden Sommeliére und erfragten, wie Weinwissen in Gastronomie- und Hotelleriekontexten hergestellt, plausibilisiert und vermittelt wird.
Quelle: UHH/Bolz
Uns interessierten vor allem folgende Fragen:
In welchen Kontexten haben die Akteur*innen mit Wein und Weinwissen zutun?
Wie deuten sie das Prozedere des Wein-servierens und des Wein-trinkens?
Wo und wie wurde das Weinwissen erworben und in welchen Kontexten wird es vermittelt?
Wir wird über Wein gesprochen?
Im nächsten Schritt sollen sich die Studierenden einzelne Facetten des Wissensnetzwerkes ‚Wein‘ heraussuchen und ein kulturanthropologisches Forschungsdesign entwickeln. Die einzelnen Projekte werden im Herbst/Winter 2020 auf diesem Blog vorgestellt.
Die Zugabe von Hefepilzen beeinflusst das Aroma des Weines. Welche Handlungsmacht erhalten sie in den Wein-Netzwerken? Wer produziert welches Wissen und wie prägen sie Arbeitsalltage?
In der letzten Sitzung nutzten wir Perspektiven der Multi-Species/More-Than-Human-Ethnography als fruchtbare Interpretationsfolien, um Akteur*innen auf der mikroskopischen Ebene zu beleuchten und um ihre Rollen zu reflektieren. Der Blick richtete sich demnach auf Hefepilze als produktive und das Wein-Netzwerk aktiv prägende Motoren, welche beispielsweise Aromen verändern und den Gegenstand ‚Wein‘ stark beeinflussen.
Je nach Skalierung und Größenordnung der Forscher*innenperspektive kann das Wein-Netzwerk variieren. Das Zusammenspiel zwischen menschlichen und nicht-menschlichen Akteur*innen wird mit Einbezug der Hefepilze oder Praktiken der Fermentation umso deutlicher.
In diesem Kontexte könnte gefragt werden, wer das Wissen über Hefestämme generiert, nutzt und wie sie in die Weinproduktion eingebettet werden.
Das Wissensnetzwerk ‚Wein‘ besteht aus sozial-, natur- und materialwissenschaftlichen Wissensdimensionen (Quelle: Pixabay/Quadronet_Webdesign).
Die gegenwärtige Corona-Situation hat nicht nur unsere Exkursionsplanung in das Weinanbaugebiet Mainz im September 2020, sondern auch die universitäre Lehre an der Universität Hamburg beeinflusst. Der Semesterstart des Sommersemesters 2020 wurde verschoben, sodass Sitzung 12. und 13. leider ersatzlos ausfallen mussten.
In diesen beiden Sitzungen wollten wir uns mit Perspektiven des New Materialism beschäftigen, um die ‚agency‘-Perspektive von Wein hervorzuheben. Dies sollte dabei helfen, entstehende Akteur-Netzwerke vom ‚Wein‘ aus herzuleiten.
Konzepte wie ‚thing-power‘ und ein ‚agentieller Realismus‘ kombinieren sozialwissenschaftliche, naturwissenschaftliche und materialwissenschaftliche Perspektiven auf die belebte Umwelt und ihrer Prozesshaftigkeit im Sein. Wein ist demnach weder statisch noch festgeschrieben, sondern ein sich wandelnder Akteur, der je nach Kontext und Situation verschiedene Sein-Zustände annehmen kann. Dieses Veränderungspotenzial sollte nicht nur menschlichen Akteur*innen zugeschrieben werden.
Das Phänomen Wein ist ein spezifisches Arrangement aus Akteur*innen, Institutionen und Praktiken. Gesellschaftliche Diskurse und Debatten greifen oftmals die Frage auf, ob Wein Kultur- oder Naturprodukt sei und kodieren ihn deshalb mit spezifischen Bedeutungen. Quelle: Pixabay/ELMANQUE
In der 11. Sitzung hatten wir hatten wir den Oenologie-Professor Dr. Ulrich Fischer der Universität Kaiserslautern zu Gast, welcher sich insbesondere mit Sensorik und Nachhaltigkeit im Kontext von Weinwissen beschäftigt. Nach einer Rekapitulation der Akteur-Netzwerk-Theorie, welche menschliche und nicht-menschliche Akteur*innen symmetrisch in den Blick nimmt, spitzen wir die agency-Perspektive im Sinne neuerer Materialitätstheorien zu. Der geschärfte Blick, Wein als sinnstiftenden und aktiv-handelnden Akteur anzuerkennen, erlaubt es uns, Weinphänomene aus einer spezifischen Perspektive zu beleuchten.
Der Weg, den die Trauben hin zum uns bekannten Lebensmittel Wein durchlaufen, zeigt das Arrangement von Akteur*innen, Praktiken und Institutionen auf. Das offene Netzwerk verbindet so akademische Weinwissenschaften, Kapitalismuslogiken, traditionelle-gedeutete Handwerkstechniken, Technologien in Formen von Maschinen oder die als Naturprodukt interpretierten Trauben miteinander. Auch Messungen, Laborinstrumente und Diagramme spielen eine Schlüsselrolle in der Wissensproduktion über Wein und ihre Sichtbarkeit in alltäglichen Lebens- und Arbeitswelten.
Aus kulturanthropologischen Perspektiven können wir nach sozialen und kulturellen Deutungsmustern fragen, durch die Weinphänomene in den vielfältigen Umwelten positioniert werden. Mit welchen Kultur- und Naturkonzepten wird gearbeitet und wie werden Dichotomien reproduziert, in Frage gestellt oder neu gedeutet? Wie wird Wein in Wert gesetzt bzw. wie wird dem Produkt Wertigkeit und Qualität zugeschrieben? Welche gesellschaftlichen Wandelprozesse beeinflussen die Wissensproduktion über Wein und wie werden sie beispielsweise in den Alltagen der Weinwissenschaftler*innen sichtbar?
Welche Rolle spielen Weinwissenschaftler*innen in der Wissensproduktion über Wein? Welche Position nehmen sie in dem offenen Netzwerk ein? Quelle: Pixabay/Donations_are_appreciated
Es wurde in der Diskussion deutlich, dass akademisches Wissen über Wein handlungsleitende Ressource für lokale und globale Ökonomien ist. Insbesondere Themenfelder und Dynamiken im Kontext von Klimawandel und Nachhaltigkeit werden wissenschaftsübergreifend diskutiert. So wird das im Universitätskontext generierte Wissen zügig in die Weinpraxis übersetzt. Aber auch kurzfristige Erscheinungen wie spezifische Konsument*innentrends werden verhandelt.
Darüber hinaus erhält Wein nationalstaatliche Identitäten und Zugehörigkeiten, welche sich durch ihre Originalität, ihre Einmaligkeit und ihr spezifisches Zusammenwirken von natürlichen Gegebenheiten wie Klima und Bodenbeschaffenheit auszeichnen würde. Daran schließen sich auch Fragen nach Geschmäckern und Genussvorstellungen an. Weingesetze und Institutionen ihrer Umsetzung bilden hier den Handlungsrahmen einzelner Winzer*innen, in dem Kreativität gefördert, eine Minderung der Qualität beispielsweise durch das Hinzugeben von Aromen jedoch ebenso kontrolliert wird.
Wein ist nicht nur vor Wahlen auf Parteiplakaten abgebildet, sondern er ist selbst auch Gegenstand von Diskussionen und politischen Debatten. Gesetzgebungen und Reglementierungen normieren die Handlungen von Akteur*innen in ihren Weinkulturen. Quelle: Unsplash/Element5Digital
Bruno Latours (1947-) Ideen zur Akteur-Netzwerk-Theorie bieten für die studentischen Forschungen fruchtbare Perspektiven an. Wenn wir in unseren Diskussionen von der Handlungsmacht (agency) des Weines sprechen und diese in ein symmetrisches Verhältnis zum Menschen setzen, ist der nächste Schritt, Wein als aktiven sinnstiftenden Akteur anzuerkennen und ihn in den Mittelpunkt des Netzwerks zu stellen.
Politisierung von Wein?
Mit Hilfe des Begriffs “culinary diplomacy” wird in den Politikwissenschaften die Wichtigkeit dargebotener Speisen und Getränke im Kontext von diplomatischen Beziehung hervorgehoben. Anhand der Weinauswahl bei Staatsbanketten des Bundespräsidenten versucht der Autor Knut Bergmann, den Zustand der diplomatischen Beziehungen in der Bundesrepublik nachzuzeichnen. In unserem Seminar wurde Bergmann kritisiert, da er nicht in der Lage war, seine eigene Position kritisch zu hinterfragen und Wein als universell verständlich annahm. Doch vorausgesetzt eine Demokratie benötigt eine “Vermittlung durch Symbolisches oder Zeremonielles (wobei gilt “Repräsentation heißt Gegenständlichmachen”), fragten wir uns, welche Dinge über die Gesellschaft denn über den Wein vermittelt werden?
Für die politische Inszenierung von Wein fanden wir auch Belege im Hamburger Stadtraum: Der Wein des Hamburger Weinberges an den Landungsbrücken wurde nur an Senator*innen und Gäst*innen der Stadt verschenkt, ehe er für Baumaßnahmen eingestampft wurde. Es gibt jedoch Hoffnung: nach dem Umbau soll der Weinberg, dessen Reben von Winzer*innen aus Süddeutschland gestiftet wurden, wieder zum Leben erweckt werden.
Die Sitzung wurde durch einen Exkurs zur Visuellen Anthropologie unterstützt. Diskurse mit und um den Wein wurden im Nationalsozialismus auf Plakaten inszeniert. Der Trend, Lebens- und Nahrungsmittel symbolisch auf Wahlplakaten zu politisieren, um sich von anderen Regionen abzugrenzen, hält bis heute an.
Darüber hinaus regelt das deutsche Weingesetz den Anbau, die Produktion und den Konsum von Wein im deutschsprachigen Raum. Eine kulturanalytische Auseinandersetzung könnte hier Kultur- und Naturbegriffe sowie Fragen nach Regionalität und Identitität verhandeln. Als gültig anerkannte und materialisierte Regelsysteme beeinflussen die Normierungen globale Weinökonomien, welche auf der menschlichen Alltagsebene Berufsbilder, Praktiken und Institutionen prägen.
Weinsprache kreiert Wirklichkeiten. So legitimiert sie bestimmte Berufsfelder und gilt als Ausweis von spezifischem WeinWissen und Erfahrung im Umgang mit Wein. Neben Aromazuschreibungen spielen aber auch naturwissenschaftliche Wissensbestände eine entscheidende Rolle. Jenes Wissen wird u.A. durch Trauben, Maschinen, Messungen und Diagramme hervorgebracht und für gültig erklärt. Quelle: Pixabay/MonicaVolpin
Das Aromarad
In der 9. Sitzung haben wir uns mit dem Aromarad, eine Form von medialisiertem und materialisiertem WeinWissen, beschäftigt. Es bezeichnet Aromatypen, die durch den Geruchs- und Geschmackssinn assoziiert werden. Hierbei haben wir das Aromarad als ein standardisiertes System mit Deutungshoheit „beobachtet“, in dessen Weingeschmackbeschreibungen wir unseren individuellen Geschmack verstanden und auch nicht verstanden fühlen. Die sprachlichen Bezeichnungen sind Deutungsvorschläge, die wir annehmen oder ablehnen können. Sie dienen als Kommunikationsmittel, um WeinWissen beschreiben zu können.
Besonders interessant finden wir, dass Menschen dem Wein durch ihre Sprache eine „agency“ zuschreiben, indem Wein durch Eigenschaften beschrieben wird, die auf menschliche Charakteristika wie „ehrlich“, „elegant“, „gesund“ oder „krank“ hinweisen. Wein wird durch Anthropomorphisierungsprozesse personifiziert und mit identitätsstiftenden Eigenschaften aufgeladen.
Wir hielten weiterhin fest: die Sprache, die wir im Weinkontext sprechen, ist von unserem Habitus und von den Trinksituationen mit tieferliegenden Distinktionslogiken beeinflusst, die mit sozialen Regeln operieren. Zudem diskutierten wir über den Einfluss, den das Weinmarketing auf unser Weinvokabular nimmt, zum Beispiel durch medialisierte Weinverkostungsangebote oder Weinjournalismus.
Wirkt Wein vergemeinschaftend (insbesondere in Corona-Zeiten mit geografischer und sozialer Distanz)? Welche Gefühle motivieren den Weinanbau, die -herstellung und den -konsum? Welche Emotionen löst der Konsum aus? Welche geschlechtsspezifischen Zuschreibungen erhält Wein? Quelle: Pixabay/Free-Photos
Feminisierung von Wein-Kulturen?
In der achten Sitzung haben wir uns damit beschäftigt, wie Trink- und Weinkulturen durch soziale und kulturelle Kodierungsprozesse feminisiert werden und welche gesellschaftlichen Entwicklungen mit einer Feminisierung von Wein in Verbindung gebracht werden. Wir diskutierten über weiblich-konnotierte Getränkenamen wie „Mommy Juice“, „Mädchentraube“ und „Girls Night out“. Darüber hinaus sprachen wir über die Sichtbarkeit von Alkohol-konsumierenden Frauen* in der Öffentlichkeit und deren Deutungen. In den Seminartexten wurden Fragen nach individuellen Emanzipationsbestrebungen und Verantwortungserwartungen im Alltag aufgeworfen. Weiterhin haben wir festgestellt, dass sich in Literatur, Werbungen und auch in eigenen Wein-Erfahrungen „klassische“ Geschlechterverhältnisse reproduzieren, in denen zum Beispiel Weiblichkeit als schwach, emotional und sinnlich gedeutet wird und Männlichkeit mit Eigenschaften wie technisches Know-how, Stärke und Führungsqualitäten verbunden wird. Wo werden Reibungsmomente und Konfliktfelder sichtbar?
Wein-Trinken als Emotionspraktik?
Im weiteren Verlauf der Sitzung haben wir die Praktik des Weintrinkens als Emotionspraktik gedeutet. Wein kann körperliche und sinnliche Prozesse auslösen, welche wir als Gefühle und Emotionen deuten. Diese schreiben sich in unseren Körpern ein bzw. werden von ihnen ausgedrückt, in dem beispielsweise Erinnerungen ausgelöst werden oder eine Erfahrung vergegenwärtigt wird. Gleichzeitig löst Weinkonsum nicht nur Emotionen aus, sondern sie motivieren Alltagsakteur*innen auch dazu, Wein zu trinken. Wir dachten beispielsweise an Liebeskummer, Vorstellungen von Genuss, Romantik oder Gemütlichkeit.
Auch Körperwissen, d.h. Wissen über und mit dem Körper, beeinflussen Emotionen und Rauscherfahrungen. So diskutierten wir eigene Grenzziehungen im Alkoholkonsum oder das Anstoßen in Gemeinschaftskontexten.
Wein ist in globale Netzwerke eingebettet. Neben Bier und Softgetränken scheint er im Supermarktregal für alle Akteur*innen zugänglich zu sein. Doch er kann je nach Kontext inkludierend und exkludierend wirken. Kann jede*r Weinexpert*in werden? Quelle: Unsplash/BigDodzy
Habitus, Lebensstil, Kapitalsorten
Die grundlegende These für unsere Diskussion in der 7. Sitzung stammt von John Overton und Warwick Murray. In ihrem Artikel “Class in a Glass” zeigen sie auf, wie der Weinkonsum und die Weinproduktion soziale Ungerechtigkeiten produziert und bestehende Ungleichheiten unterstützt. Um diese marxistische Kritik auch aus kulturwissenschaftlicher Perspektive einzuordnen, nutzten wir die Konzepte des Kultursoziologen Pierre Bourdieu (1930-2002). So rekapitulierten wir Konzepte wie Habitus, Lebensstil, Geschmack und das Akkumulieren von verschiedenen Kapitalsorten, um anschließend Verbindungen zwischen Wein auf der Alltagsebene und strukturellen Bedingungen erörtern zu können.
Welche Kapitalsorten sind notwendig, um an der Weinwelt zu partizipieren? Und kann wirklich jede*r Weinexpert*in werden? Darüber hinaus diskutierten wir Fragen, inwieweit WeinWissen sozialisierbar ist, in wieweit WeinWissen am situativen Impression Management beteiligt ist und in wieweit WeinWissen inszeniert werden kann.
Akteur*innen, welche in Weinanbaugebieten aufwachsen, haben ein anderes, womöglich vertrautes Verhältnis zum Wein, da dieser im Stande ist, die dortige Natur- und Kulturlandschaft zu prägen. Dabei ist Wein trotz geschützter Herkunftsangaben in globale Netzwerke und Ökonomien eingebettet und von Global Player*innen, rechtlichen Verordnungen und kapitalistischen Marktlogiken abhängig. Um diese Sphären zusammen zu denken, benutzten wir den Begriff der Glokalisierung.
Wir halten fest, dass der Geschmack am Wein aus ganz verschiedenen Richtungen sozial konstruiert ist. Einerseits schafft die Weinwerbung Bedürfnisse, die sich die Konsument*innen vorher nicht vorstellen konnten und andererseits trägt die Sozialisation zu erforderlichen Sprachgebräuchen, Praktiken und Umgängen bei.
Das romantische Bild der Weinlese ist nicht mehr zeitgemäß. Technische Innovationen und Effekte der Globalisierung führen zu einer Massenproduktion. Die Zugänge zu Wein (bspw. Supermarktregal) sind niedrigschwellig und mögen demokratischer erschienen. Dennoch geht von dem Wein je nach sozialer Situation eine enorme inkludierende oder exkludierende Macht aus. Auf der anderen Seite existieren traditionelle Handwerks- und Kulturtechniken, welche von Akteur*innen und Institutionen bewahrt werden sollen. Dementsprechend beeinflussen Konzepte von Nachhaltigkeit sowohl den Weinbau selbst als auch seine Praktiken.
Ist die „richtige“ Praktik des Weintrinkens durch Bildungsabschlüsse, Wine-Tastings oder Ratgeber*innenliteratur erlernbar? Wer entscheidet welche Handlungsweisen angemessen sind? Wer erklärt WeinWissen und die damit verbundenen Praktiken für gültig? Quelle: Pixabay/JillWellington
Unserer Meinung nach spielt WeinWissen ebenso in Distinktionsprozessen eine Rolle, in denen auch Machtverhältnisse sichtbar werden. Darüber hinaus schreibt sich WeinWissen in Körperpraktiken ein. Beispielsweise ist das „angemessene“ Halten eines Weinglases oder die Art und Weise des Probierens und Schmeckens erlernbar. So werden nicht nur die sprachlichen Äußerungen über Wein normiert, sondern auch vom Körper ausgeführte Praktiken.
Je nach historischen Kontexten erfährt Wein vielfältige Bedeutungen und wird in unterschiedliche Praktiken eingebettet. Insbesondere während des nationalsozialistischen Regimes wurde die „deutsche Weinkultur“ ideologisiert und inszeniert. Solche Dynamiken schlugen sich in Gesetzgebungen und Regelwerken nieder und werfen auch noch gegenwärtig Fragen nach Kulturgütern, Zugehörigkeiten, Identitäten und Nationen auf. Quelle: Pixabay/Gadini
In der 6. Sitzung näherte sich die Seminargruppe dem Spannungsfeld von Wein und Kulturerbe an.
Im September 2019 reichte das Deutsche Weininstitut bzw. die Deutsche Weinakademie, eine Institution die sowohl das Weinmarketing als auch die akademische Wissensproduktion über Wein prägt, einen Antrag bei der Organisation der Vereinigten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO) ein, in dem „die deutsche Weinkultur“ als Immaterielles Kulturerbe eingestuft werden sollte.
Demnach sollen Praktiken des Gestaltens, Pflegens und des Weiterentwickelns von Weinkultur gewürdigt werden. Dies schließt Weinproduktion und Weinvertrieb, Weingästeführer*innen, Dozent*innen und Mitglieder*innen von Weinbauverbänden, „Weinbruderschaften“ und sonstige weinkulturelle Institutionen mit ein. Darüber hinaus betrifft dies alle Weinkulturschaffende bzw. Träger*innen der „deutschen Weinkultur“.
Diskutabel wären an dieser Stelle der Kultur- und Nationalbegriff und das Wechselverhältnis zwischen relevantem Weinwissen, Materialitäten und Weinhoheiten aus den Weinkulturen. Wir stellten uns die Frage, ob Konsument*innen von Wein auch als Mitglieder*innen dieser Weinkulturen zählen würden.
WeinWissen als schützenswertes Wissen?
Generell wird schützenswertes menschliches Wissen und Können, welches nicht fassbar ist, sich jedoch medialisiert und materialisiert, als Immaterielles Kulturerbe eingestuft. Nach UNESCO-Konvention sind dies Bräuche, Darstellungen, Fertigkeiten und Ausdrucksformen und ihre dazugehörigen Instrumente, Objekte, Artefakte und kulturelle Räume, Gemeinschaften, Gruppen und Einzelpersonen. Ebenso könnte der Blick auf (Fach)Wissen und Praktiken im Umgang mit Natur, d.h. (traditionelle) Handwerks- und Kulturtechniken gerichtet werden.
Wir verstehen Kulturerbe als Praxis (doing cultural heritage). Dies schließt verschiedene Praktiken mit ein. Das Konzept des Immateriellen Kulturerbes birgt jedoch Risiken und Gefahren: Wissen könnte demnach gelabelt und an spezifische Orte und Gruppen gebunden bzw. festgeschrieben werden. Eine zunehmende Kommerzialisierung und Ökonomisierung des Raumes motiviert Tourismus und die Folklorisierung bzw. Festivalisierung/Eventisierung (u.a durch Weinfeste) von und in Regionen. Die benannten Anbaugebiete befinden sich in einem Spannungsfeld von Traditionen und Veränderungsprozessen durch Mobilität, Technisierung und Innovationen im Weinbau.
Unserer Meinung nach befinden sich Wein-Kulturen und Kulturerbe in einem relationalen Mengengelage. Weinkulturen sind demnach ein offenes Netzwerk aus Akteur*innen, Materialitäten und Bedeutungen. Regionalität und geografische Herkunftsangaben von Wein, Lebensstile, Gloablisierungsprozesse (oder eher Glokalisierungsprozesse), politische Diskurse auf EU-Ebene, Inszenierung und Repräsentationsformen von, mit und durch Wein wirken in Beziehungsgeflechten aufeinander ein.
Kultur- bzw. gesellschaftskritische Perspektiven nehmen die Verherrlichung von Alkoholkonsum ebenso in den Blick, in dem gesundheitsschädliche Folgen und Risiken betont werden, welche in den Inwertsetzungsprozessen, wie sie durch das Label Kulturerbe propagiert werden, vernachlässigt werden. Darüber hinaus markiert die Einstufung als Kulturerbe regionale, soziale und kulturelle Grenzen. Wie kann ein verantwortungsvoller Konsum von Wein angestoßen werden, wenn Traditionen für Wirtschaftslogiken inszeniert werden? In welchem Spannungsverhältnis stehen lokale Akteur*innen der Weinkulturen, ihre Existenzen und der Wille zum Rausch? Welche stereotypischen Zuschreibungen von Regionen und Identitäten sollten reproduziert werden, um traditionelle Wissensbestände zu erhalten?
Welche unterschiedlichen Formen von Rausch gibt es? Wie werden sie erfahren, praktiziert und gedeutet? Wir wird Rausch sichtbar? Welche Rolle spielt Wein mit seinen materiellen Eigenschaften und seinen sozialen Deutungen? Quelle: Pixabay/Hans
Was und wie ist Rausch?
In der fünften Sitzung haben wir uns vorrangig mit der Wirkungsmacht von Rausch durch/nach/während des Weinkonsum/s auseinandergesetzt. Durch Beschreibungen und Konstruktionen von Rauschzuständen haben wir uns auch einem Verständnis von „Normalzuständen“ angenähert. Dabei haben wir festgestellt, dass Rauschzustände mal mehr und mal weniger mit bestimmten Berufsgruppen in Verbindung gebracht werden und nur bis zu einem bestimmten Grad, der von Beruf zu Beruf variieren kann, gesellschaftlich akzeptiert und legitimiert sind. Als Beispiele wurden Sommelier*innen oder Künstler*innen genannt.
Geschlechtsspezifische Kodierungen
Die Wirkungsmacht von Rausch haben wir weiterhin in Form von auf den Rauschzustand abgestimmte Gesetzesregelungen und in Form gesellschaftlicher Exklusionsbewegungen kennengelernt. Zudem wurde in Texten der Rauschzustand geschlechtsspezifisch kodiert und als besonders gefährlich für „Frauen“ beschrieben. Das Trinken und der Rausch wurde mit „Eignungsprüfungen unter Männern“ in Verbindung gebracht und in einer heterosexuellen Matrix verortet. Hier wurde deutlich, dass das Trinken alkoholischer Getränke und der Rauschzustand mit anderen gesellschaftlichen Inwertsetzungsprozessen und Konzepten, wie beispielsweise Wissen zum „Frau-sein“, zusammenhängt.
Rausch könne als transzendentale Praktik gedeutet werden, die durch verschiedene Faktoren bedingt ist. So unterscheiden sich Rauschzustände je nach Akteur*in, konsumiertem Alkohol, körperlich-leiblicher Verfasstheit, Erfahrungen und Umweltbedingungen in den spezifischen Situationen der Rauscherfahrung.
Rauscherfahrungen können unterschiedlich interpretiert werden. Auch gesundheitliche und medizinisch-begründete Wissensbestände prägen Handlungsweisen mit Wein. Die Intensität und der Umfang von Alkoholkonsum wird durch gesellschaftliche Prozesse pathologisiert und als Alkoholmissbrauch oder -sucht gekennzeichnet.
Das Fach der Kulturanthropologie argumentiert historisch, d.h. sie schaut auf das historische Geworden-Sein von Weinphänomenen. Die Gültigkeit von WeinWissen ist von zeit- und ortsspezifischen Kontexten, Kulturtechniken und Machtverhältnissen bestimmt. Quelle: Pixabay/Britlish
“Nur im Weine liegt die Wahrheit, Nur der Trunkne ist voll Klarheit”¹
Das Geworden-Sein von WeinWissen
Das Phänomen Wein ist historisch und gegenwärtig in verschiedene Regelsysteme verankert und je nach gültigen Wissensordnungen normiert. Dabei veränderten sich im Laufe der Jahrhunderte Gesundheitsdiskurse rund um alkoholische Getränke. Die Bedeutungsverschiebung vom Grundnahrungsmittel zum Genussmittel, vom medizinischen Nutzen hin zum Rauschmittel dominierten die Seminardiskussion in der vierten Sitzung unseres Projektseminars.
Ausschlaggebend war eine Quelle aus dem 13. Jahrhundert: Der Franziskaner Salimbene von Parma überlieferte ein Traktat, welches sich mit der (Un-)Nützlichkeit, Wein mit Wasser zu vermischen, beschäftigte. Darüber hinaus erarbeiteten wir sakrale Deutungen von Wein in Symbolsystemen und seine Einbettung in mittelalterliche und gegenwärtige Alltage.
Eine Präsentation über die volkskundliche Forschung von Max Matter, welcher die Rolle des Weines in der christlichen Liturgie anhand historischer Quellen untersuchte, unterstrich die Allgegenwärtigkeit des Getränks in christlich geprägten Gesellschaften. Daran anknüpfend ließ sich die ritualisierende und normierende Kraft des Weines auch in heutigen sozialen Situationen der Seminarteilnehmer*innen erkennen, beispielsweise beim Besuch einer kirchlichen Messe, beim Anstoßen in Vertragskontexten oder Abschussfeiern.
1 Doren, Alfred: Die Chronik des Salimbene von Parma, Leipzig 1914 [Die Geschichtschreiber der deutschen Vorzeit 2, Bd. 93–94] (Nach der Ausgabe der Monumenta Germaniae).
Kulturanthropologisch zu arbeiten heißt qualitativ-empirisch und multiperspektivisch zu forschen. Neben Interviews, Archivquellen und Teilnehmenden Beobachtungen könnten Ding- und Diskursanalysen oder Ansätze der Visuellen Kultur dabei helfen, die Komplexität von Weinphänomenen verstehen zu können. Quelle: Pixabay/WFranz
In dieser Sitzung beschäftigten wir uns mit einer Vielzahl von qualitativ-empirischen Methoden, um WeinWissen erforschen zu können. Die Ergebnisse der Diskussion wurden als Steckbriefe zusammengefasst und sind hier zu finden.
Die Disziplin der Kulturanthropologie hat vielfältige Forschungszugänge und Arbeitsweisen, um Soziales und Kulturelles zu untersuchen. So könnten sich Praktiken, Materialitäten oder symbolische Deutungen und ihre relationalen Beziehungen angeschaut werden. Denkbar sei neben historischen Ansätzen wie die Analyse von Archivquellen auch Theorien der Visuellen Kultur. Das Gegen-den-Strich-Lesen von alltäglichen Selbstverständlichkeiten und der Blick auf Konflikte, Widersprüche und Reibungsmomente sind einige fachspezifische Charakteristika.
Ethnographische Perspektiven
Neben „klassischen“ Formen der Feldforschung wie Teilnehmende Beobachtungen und Interviews benutzen die Studierenden narrative Raumkarten wie Mental Maps oder diskursanalytische und autoethnografische Ansätze, um WeinWissen zu untersuchen. Neben der Reflexion der eigenen Forscher*innenrolle stehen auch Fragen der Forschungsethik im Vordergrund.
Unsere Forschungsfelder sind nicht starr oder ahistorisch, sondern vom Forschenden konstruiert. Unsere Aufmerksamkeit richtet sich demnach auf die Prozesse und Eigendynamiken der Weinphänomene in offenen Netzwerken. WeinWissen und seine Einbettung in gesellschaftliche und globale Strukturen wird durch eine Mikroanalyse von Alltagen sichtbar. Es ist in gegenwärtigen und historischen Alltagen auf verschiedene Arten und Weisen präsent. Auch das bewusste Ablehnen von Wein bzw. von Weinkonsum gibt uns als Forscher*innen Rückschlüsse über individuelle Lebensstile und Deutungen.
In den vielfältigen Forschungsfeldern von Wein spielen sowohl naturwissenschaftliche als auch soziale und kulturelle Wissensbestände eine entscheidende Rolle. Vor allem das Zusammenwirken der verschiedenen Dimensionen konstituiert Weinphänomene.
P.S. In dieser Sitzung besprachen wir die Einführung von Andreas Bimmer des 20. Bandes der Hessischen Blätter für Volks- und Kulturforschung „Alkohol im Volksleben“. Der 55. Band dieser Reihe widmet sich der „Wein-Kultur“ und beleuchtet diese aus aktuellen kulturanthropologischen, geschichts- und religionswissenschaftlichen und judaistischen Ansätzen.
WeinWissen wird in menschlichen Alltagen auf verschiedene Arten und Weisen sichtbar. Wie wird im Weinanbau, in der Weinherstellung und im Weinkonsum Wissen produziert, vermittelt, für gültig erklärt oder abgelehnt? Quelle: Pixabay/ milivanily
Das Verhältnis von Wein und Wissen
In der zweiten Sitzung unseres Seminars beschäftigten wir uns mit dem Verhältnis zwischen Wein und Wissen. Wie wird Wissen in der Kulturanthropologe gedacht, konstruiert und vermittelt? Wo ist es in Weinkontexten zu finden?
So passe, laut Expert*innen, Weißwein besser zu Fisch und von billigem Wein kriege man Kopfschmerzen? Wie begründen die Akteur*innen, welche sich ggf. als Laien bezeichnen, ihre Aussagen? Wie lassen sich Rauschvorstellungen in diesen Raumkonzepten mitdenken? In welchen Strukturen ist Wein eingebettet und wie können wir diese auf der Alltagsebene untersuchen?
Eine theoretische Grundlage zum sozial produzierten und konstruierten Raum boten Texte der Kulturanthropologie und der Wissenssoziologie. In einer Gruppenarbeit über die Plattform Zoom sprachen wir über Wissensräume, welche wir mit dem Thema Wein verknüpfen könnten. Außerdem wurde medialisiertes und materialisiertes Weinwissen diskutiert.
Ein Exkurs in die volkskundlich-kulturanthropologischen Theorien der Nahrungskulturforschung erweiterten das Repertoire an neuen Perspektiven. Wir sensibilisierten uns dafür, dass Wein je nach Kontext als Nahrungs-, Genuss- oder Nahrungsmittel gedeuteten werden kann. Auch die Zuschreibung, Wein sei ein Luxusgut, gilt es in unseren Projekten zu berücksichtigen.
Die soziale Konstruktion von Wissen und Raum
Es lässt sich festhalten, dass eine Kulturanalyse von Wein, Wissen und Raum Erkenntnisse über alltägliche Deutungen, Praktiken und Materialitäten generieren könne. Wir verabschiedeten uns von rein geographischen Raumkonzepten sowie akademischen Deutungen von Wissen und setzten die alltägliche Herstellung und Produktion (doing culture) von WeinWissen in den Mittelpunkt.
Was wir über Wein wissen, ist sozial und kulturell produziert. Eine Kulturanalyse von Weinphänomenen kann Erkenntnisse über Wissensordnungen und anerkannte „Wahrheiten“ generieren. Quelle: Pixabay
Die Fachlogiken der Kulturanthropologie
Als eine empirische Kulturwissenschaft untersucht die Volkskunde/Kulturanthropologie alltagskulturelle Phänomene und Praxen in ihren historischen und sozialen Dimensionen. Sie analysiert die historische Entwicklung von gegenwärtigen Gesellschaften und richtet dabei ihren Blick auf soziale und kulturelle Prozesse des alltäglichem Lebens.
Im Zentrum steht somit der Begriff der Kultur als die stetige Aushandlung der Regelwerke, die den Umgang von Individuen und sozialen Gruppen miteinander organisieren. Gefragt wird nach der kulturellen Logik von Vorstellungen und Deutungen, Praktiken und Lebensentwürfen. Die Analyse des Alltags soll dazu beitragen, soziale und kulturelle Unterschiede als Folge von bzw. im Kontext von gesellschaftlichen Wandelprozessen zu verstehen. Neben einführenden Pflichtveranstaltungen bietet das Hamburger Institut für Kulturanthropologie die drei Themenschwerpunkte Soziale und Kulturelle Räume, Technizität und Materielle Kultur und Medialität an.
Die Frage nach Wissen und Räumen
Kulturelles und Soziales besteht aus symbolischen, materiellen und praxisorientierten Wissenssystemen. Eine Wissensanalyse ist demnach hilfreich, um die Grammatiken und Eigenlogiken von akteursspezifischen Sinnstiftungen und ihrer Interaktionen mit ihren Umwelten verstehen zu können. Wissen ist sozial vermittelter Sinn und demnach fruchtbare anthropologische Ressource, die Akteur*innen als schöpferische Lebewesen dazu befähigen, ihre Umwelten aktiv zu gestalten. Spannend sind die Formen der Wissensproduktion und Weltaneignung, die Wissensdimensionen, die Machtverhältnisse und Hierarchisierungen, die soziale und kulturelle Situiertheit von Wissen sowie ihr Verbreitungs- und Transformationspotenzial.
An dieser Stelle möchten wir betonen, dass kein allgemein verbindliches Verständnis von Wissen existiert, sondern Deutungen gesellschaftlich ausgehandelt werden. Auch das Raumverständnis der Disziplin geht über die physische Deutung hinaus und beschreibt die soziale und kulturelle Konstruiertheit solcher Setzungen.
Die Weinrebe als Symbol? Das Zeichen wird oftmals als Repräsentant für das Phänomen Wein genutzt und verweist auf religiöse und geschlechtliche Zuschreibungen wie beispielsweise Weisheit oder Fruchtbarkeit. Quelle: Pixabay/Optimusius1
Allgemeine Informationen zum Projektseminar (Trigger-Warnung: Alkohol)
Auf einer einwöchigen Exkursion im Sommer 2020 ins Weinbaugebiet Mainz sollen kleine Forschungsprojekte erarbeitet werden. Im Herbst 2020 stellen wir diese dann auf der Homepage vor.
Während der Konzeptionalisierung des Seminars im August 2019 konnten wir uns mit dem Deutschen Weininstitut/der Deutschen Weinakademie in Mainz sowie dem Fachbereich Oenologie der Geisenheim University vernetzen. Darüber hinaus pflegen wir Kontakte mit verschiedenen Weinbaumuseen sowie regionalen Winzer*innen, um uns lokale Formen der Wissensproduktion von WeinWissen anschauen zu können.
Forschungsfragen & Erkenntnisinteresse
Ausgangspunkt für die Seminaridee waren Debatten über die Handlungspotenziale (agency) von Wein. Von den Phänomenen um Wein, insbesondere ihre materiellen und sozio-kulturellen Dimensionen, möchten wir im Seminar verschiedene Wissensfelder aufzeigen.
Dabei begleiten uns folgende Leitfragen: • Welches Handlungspotenzial (agency) hat Wein als Akteur in seinen materiellen, symbolischen, historischen und sozio-kulturellen Dimensionen? • Welche Rolle spielen Technik, Wissenschaft und Innovation bei der Wissensproduktion über Wein? • Wie verändert der Konsum von Wein die Wissensproduktion von Akteur*innen? • Welche wissensspezifischen Bedeutungen werden Wein von Akteur*innengruppen zugeschrieben? • Welche Rolle spielen Geschmack und Lebensstil in der individuellen Inszenierung von Wein?
Wie WeinWissen repräsentieren?
Wir möchten die Möglichkeit des Digitalen Schreibens dafür nutzen, um unser in den Seminardiskussionen generiertes Wissen, die theoretischen Überlegungen und eigene empirische Forschungen, aufzubereiten und zitierbar zu machen. Dadurch möchten wir einer interessierten Öffentlichkeit Zugänge zu kulturanthropologischen Forschungen ermöglichen.
In der Aufbereitung des generierten Wissens müssen wir unsere Repräsentationsformen kritisch beleuchten und reflektieren:
Sind Symbole und Bilder für alle Menschen gleich lesbar? Wie können wir die verwendete Sprache auf dem Blog zwischen unserem Anspruch an Wissenschaftlichkeit auf der einen Seite und dem Aufbruch von akademischer Distinktion auf der anderen Seite ausbalancieren? Wie können wir das offene Netzwerk, in welchem Wein eingebettet ist, differenziert darstellen und kritisch beleuchten? Wie können wir Wein in Kontexten von Ausbeutung, Unterdrückung und der Kolonialität von Welt und Wissen ausreichend repräsentieren und gleichzeitig Privilegien und Zuschreibungen von Exklusivität sichtbar machen?